In unserer ersten Sitzung würde ich Michaela erst einmal von ihren Problemen erzählen lassen. Dabei fällt mir auf, dass sie sehr angespannt wirkt. Ich frage sie, wie sich gerade körperlich fühlt. Sie schildert ein Engegefühl in der Brust. Das kennt sie schon aus anderen Stresssituationen. Dann würde ich Michaela fragen, was sie sich wünscht. Sie träumt davon, wieder „so viel wuppen zu können wie früher“. Das Leben soll ihr leichter von der Hand gehen. Sie erinnert sich an eine Lebensphase mit Anfang 30, in der sie viel Energie gehabt hat und sich sehr lebendig gefühlt hat. Auch hier lasse ich mir ihre Körperempfindungen genau beschreiben.
Michaela entdeckt, dass sich beide Zustände psychisch und körperlich stark unterscheiden. Die Idee ist, dass sie lernt, vom unangenehmen in angenehmen Zustand zu wechseln. Gemeinsam suchen wir danach, was Michaela tun alles könnte, um ein bisschen von diesem Lebensgefühl zurückzuholen. Das übt sie auch anhand konkreter Körperübungen unter meiner Anleitung. Natürlich lässt sich der Zustand von damals nicht vollständig herstellen, denn inzwischen hat sich ihr Leben verändert. Es sind Belastungen dazu gekommen, die es früher nicht gab und die ihr heute das Leben sehr schwer machen.
Daher schließen sich weitere Sitzungen an, in denen wir den Dingen tiefer auf den Grund gehen. Dafür lade ich Michaela ein, eine Bewegung zu erforschen, die sie häufig macht, nämlich die Arme fest anzuwinkeln, als wenn sie die Zügel fest anziehen wollte. Es stellt sich heraus, dass Michaela es gewohnt ist, Verantwortung zu übernehmen und die Dinge zu regeln. Wir arbeiten Stück für Stück ihren Glaubenssatz heraus: „Ich muss alles alleine schaffen!“ Dieser Glaubenssatz verhindert, dass sich Michaela das Leben leichter machen darf. Er hat sich schon in ihrer Kindheit geformt. Michaela hat als älteste Schwester für ihre Geschwister gesorgt, weil beide Eltern viel arbeiten mussten. Dabei hätte sie sich gewünscht, auch einfach mal nur Kind sein zu dürfen und sich anzulehnen. Diese Erfahrung holt Michaela in einer Art Rollenspiel nach. Das hilft ihr, Frieden mit ihrer Vergangenheit zu schließen und weitere Handlungsmöglichkeiten für sich zu erschließen.
In der Abschlussphase von Michaelas Therapie geht es darum, die Erkenntnisse und Erfahrungen in den Alltag zu bringen und zu festigen. Michaela erarbeitet mit meiner Hilfe konkrete Strategien, wie sie mit ihren Belastungen besser umgehen und sich das Leben leichter machen kann. Die Erfahrung aus dem Rollenspiel hat sie berührt und offener werden lassen. Sie kann nun bewusster entscheiden, welche Verantwortung sie übernehmen möchte und hat gelernt, sich Hilfe zu holen. Michaela blickt zuversichtlich in ihre Zukunft.
Bitte beachten Sie, dass es sich hier um einen konstruierten Fall handelt, um meine Arbeitsweise aufzuzeigen. Jede Person ist individuell und benötigt eine Anregungen. Für Sie könnte der Prozess ganz anders aussehen.